Die beiden Stadttürme Vöcklabrucks, bemalt unter Kaiser Maximilian I, (1459-1519) sind in Europa einzigartig. Nun wissen wir, dass der Kaiser „medial“ nicht „unmusikalisch“ war. Höchst kreativ! Daher erscheint es spannend, die beiden Türme aus moderner Mediensicht zu betrachten.
Ein Medienpapst analysiert

Marshall McLuhan (1911-1980), Kanadier, Philosoph und Geisteswissenschaftler, ist einer der wichtigsten Denker des ausgehenden vergangenen Jahrhunderts. Er gilt als Begründer der Medientheorie. Ihn lassen wir jetzt, sofern das anhand seiner Theorien möglich, über unseren „Medien“-Kaiser Maximilian räsonieren.
The medium is the message“
Zuerst die Kernthese: „Das Medium ist die Botschaft“. Für McLuhan liegt das Wesentliche des Mediums in seiner Form und nicht in dem vom Medium vermittelten Inhalt. Nicht die aus dem Inhalt entschlüsselte Botschaft, sondern die aus dem Medium heraus gehende Wirkung ist relevant.

Der Inhalt des Unteren Turmes ist klar. Eine Liebeserklärung an die verstorbene Exfrau Maria von Burgund. Die Form des Wappenturms zeigt den Vöcklabruckern und den Durchreisenden: „Seht her, ich bin euer Herrscher, Habsburg wacht über euch. Und ist noch zusätzlich ein Abwehrsignal gegen eine mögliche Türkenbelagerung.
Ganz schön viel „Message“, ganz schön viel Wirkung. Hätte der Kaiser seine Wappen irgendwo an eine Hauswand malen lassen, auch schön. Der Profi aber gestaltet die zwei Türme dort, wo jeder, der von Salzburg nach Wien will, durch muss. Das Medium Turm spielt seine Trümpfe aus.
Exkurs: Gutenberg-Buchdruckerfindung um 1450
Durch die Erfindung des Buchdrucks wurde es ermöglicht, Nachrichten viel schneller zu übermitteln. Das Medium Buchdruck sparte also Zeit. Und das Medium Buchdruck förderte das lineare Denken, Buchstabe an Buchstabe, Absatz an Absatz. Es bildeten sich aus dem Lateinischen heraus viele Sprachen. Grammatik konnte niedergeschrieben und veröffentlicht werden. Eine weitere Folge des Mediums Buchdruck war die Einrichtung des Postdienstes. Mega-Wirkung, der Buchinhalt nicht absolut wichtig.
Der Buchdruck
Ein Supermedium mit der dämonischen Falle, die Welt weg vom polyzentralen in ein lineares Denken zu zwingen.

McLuhan kämpfte sein ganzes Leben gegen das lineare Denken, aber auch gegen die Logik (einengend in den Ideen) an. Nichtlinearität und Nichtkausalität sind die Grundpfeiler seines Werkes. Es geht um einen mosaikartig entfaltenden Ideenreichtum.
Das Medium Oberer Stadtturm

Am Oberen Stadtturm haben der Kaiser und sein Maler Kölderer wiederum tief in die „mediale“ Kiste gegriffen. Die Haupt-Message ist für alle Durchreisenden ersichtlich, ankündigend, wo und bei wem in VB der Hammer hängt. Dazu gibt es ein anachronistisches VB-Wappen (aufgepeppt durch Musketenträger), das schafft Aufmerksamkeit. Und die Wirkung des Turms ist polyzentral. Es sind die Wappen von Polen und Alt-Ungarn drauf. Länder, die zwar im Visier des Kaisers, aber noch gar nicht erworben. Ungarn z.B. erst 23 Jahre später.
Der vielseitige Kaiser, Chef des Ordens vom Goldenen Vlies, Ritter, Kanonier, Begründer des Landsknechtwesens, Jäger, Kunstliebhaber, umsichtig, Meister der „Ars moriendi“ war für seine Zeit ein Könner im Denken mit vielen Schwerpunkten, ein Denken, das durch die Jahrhunderte immer weniger gepflegt und gelehrt wurde und in der Ausprägung des Spezialistentums mündete.
Der Hintergedanke bei beiden Türmen: Erinnert euch an mich! Diese Wirkung sehen wir jetzt 500 Jahre später..
Abschließend noch einmal McLuhan
Medien können nach McLuhan heiß (enthalten hochdefinierte Botschaften) und kalt (enthalten wenig definierte Botschaften) sein: Heiße Medien sind optisch detailreich, eher präzise, wodurch es zu einer Verarmung der Sinne kommt. Sie wirken passivierend und man kann sich „zududeln“ lassen. Kalte Medien wirken aktivierend.
Es ist wie bei einem Blumenstrauß am Tisch: Unser Intellekt definiert: Rosen. Eh klar! Und damit hat es sich. Wir vergessen auf den Duft, die Farbe, die Dornen, eventuell die Liebe usw. Die Sinne „verarmen“. Bei einem gut gemachten“kalten“ Medium wie die Wappen am Stadtturm können wir uns im Detail verlieren: Die Wappentiere (immer starke Tiere!), ein Doppeladler, das muß einem erst einmal einfallen (!), die Wappen, die noch nicht zu Habsburg gehören, (vorausschauendes Denken), das anachronistische Wappen von Vöcklabruck mit den Musketen, die Wappen ohne Wappentiere. Und die Hammerfrage: Rot-weiß-Rot übereinander (quasi ein Durchhaus für Marschierende oder was immer) und als Gegensatz das Schweizer Kreuz-Weißes Kreuz in rotem Feld (da kann nichts hinein und nichts hinaus) usw. Man könnte sich auch fragen, was haben die marschierenden Soldaten im VB-Wappen eventuell gesungen? Eher nichts, denn im Mittelalter hat man nur Kirchenchoräle gesungen und die lateinisch (wui!)
by maximilian lötsch