Vöcklabruck verfügte und verfügt über sehr viele Glocken, auf den Kirchentürmen und Stadttürmen, auch im Mutterhaus. Und die haben alle eine sehr spannende und wechselvolle Geschichte. Franz Leitner, langjähriger Stadtpfarrer von Vöcklabruck, hat sie alle in einem Büchlein „Die Glocken von Vöcklabruck“ dokumentiert. . (Anmerkung: so schaurig, wie der an Edgar Wallace erinnernde Titel ist das Büchlein nicht !)

Der Untere Stadtturm als sicherer Glocken-Hort
Wir wenden uns hier ausschließlich den beiden Glocken des Unteren Stadtturms zu, weil die kann man, soweit schwindelfrei, sehr gut besichtigen. Beide sind 1772 gegossen worden. Und seither hängen sie 31 m über Vöcklabruck. Das ist schon einmal eine Besonderheit. Warum ?
Zurück in den 1. Weltkrieg
Auch die Hundertjährigen unter uns werden sich an die kaiserlichen Erlässe nicht mehr erinnern können, die um 1915 die Abgabe sämtlicher Glocken zur Einschmelzung „Geschütze statt Geläute“ forderten. (bei besonders kunsthistorisch Wertvollen wurden Ausnahmen gemacht). Und da hat es leider unsere Kirchen voll erwischt. (siehe Franz Leitner)
Um während des Ersten Weltkriegs den Nachschub an Metallen zu sichern, wurde der Bergbau aktiviert. Außerdem wurden Gegenstände aus Metall gesammelt und für militärische Zwecke umgearbeitet. Einen höheren Bekanntheitsgrad erlangten dabei die „Patriotische Kriegsmetallsammlung“ und die Verwertung vieler Kirchenglocken.

Ein sogenannter Glockenfriedhof Bild: Wikipedia
Kirchenglocken enthielten große Mengen Kupfer und Zinn, die sogenannte „Glockenspeise“. Seit Jahrhunderten waren sie daher in Kriegszeiten aus den Kirchtürmen entfernt und in militärisches Gerät umgeschmolzen worden. Ihre Abnahme erregte allerdings starke Emotionen in Teilen der Bevölkerung. Im Mai 1915 startete eine Aktion zur freiwilligen Abgabe von Kirchen. Sie wurden nach ihrem Alter in drei Kategorien unterteilt, nur Glocken aus dem 19. und 20. Jahrhundert standen zur Einschmelzung frei. Diese waren bis Mai 1917 verbraucht. Daraufhin wurden Zwangsabgaben verfügt, wobei lediglich Glocken aus der Zeit vor 1600 geschützt blieben.
Die Stadtturm-Glocken blieben verschont
In der Laterne des Stadtturms hängen zwei kleine Bronzeglocken mit 53cm und 41cm Durchmesser. Beide tragen die Aufschrift: ANDREAS GROHE GOSS MICH IN WELS 1772. Beide Glocken zeigen eine Art Altartisch mit Blumen, Trauben und Brot, die größere einen Bischof mit Mitra und Christus, der Wein ausschenkt, die kleinere ein Kreuz mit Einfassung und Maria mit dem Jesuskind.


Irgendwie war der Stadtturm ein sicherer Hort für die beiden, vielleicht auch, weil man einen Signalgeber für Feuer und dgl. bewahren wollte. Heute sind sie nicht mehr mit dem Uhrwerk verbunden und schlagen nicht mehr (Anmerkung: nur Müller Kilian kann es hin und wieder nicht lassen, den Glocken ihren schönen Klang zu entlocken. Das kündigt meist das Ende einer Führung durch den Turm an).
Schweigsame Zeugen

Faktum ist, dass hier, auch wenn sie jetzt schweigen, sehr alte bronzene Glocken hängen, die die Napoleonischen Wirren, die bayrische Herrschaft (und damit das Übermalen der Turmwappen), das Kaiserreich Österreich und natürlich beide Weltkriege aus luftiger Höhe erlebt haben….Mögen sie noch lange hängen.
by maximilian lötsch
Schreibe einen Kommentar